Raser wollte Polizisten bestechen

Am 01.11.2018 verteidigte Rechtsanwalt Matthias Waldraff vor dem Amtsgericht Wennigsen erfolgreich gegen einen Strafbefehl mit einer Geldstrafe von 90.000 Euro; das Verfahren wurde schließlich gegen eine Auflage von 12.000 Euro eingestellt, der Mandant bleibt unbestraft. Die HAZ berichtete am 08.11.2018.

bestechung
unsplash.com - Markus Spiske

(zitiert aus HAZ vom 02.11.2018)


„Raser wollte Polizisten bestechen


Verfahren eingestellt: Angeklagter muss statt 90 000 nur 12000 Euro Strafe zahlen


Von Michael Zgoll


Ein hannoverscher Geschäftsmann, in der Immobilienbranche tätig, sollte wegen der versuchten Bestechung eines Regionsmitarbeiters 90 000 Euro Strafe zahlen. Sein teurer Mercedes 350 GLSd 4matic war im Januar 2017 auf der B 217 in Ronnenberg auf Höhe des Polizeikommissariats von einem mobilen Blitzer fotografiert worden. Richtung Springe fahrend mit Tempo 84 statt 50.Wenige Minuten später soll Mehmet C., so die Staatsanwaltschaft, zur in einem Gebüsch versteckten Messstation zurückgekehrt sein und dem Mitarbeiter 150 Euro angeboten haben, wenn dieser die Aufnahme löscht. Dem Fahrer drohten ein Monat Fahrverbot, zwei Punkte in der Verkehrssünderkartei und 160 Euro Geldbuße. Doch sein Gegenüber mochte sich nicht bestechen lassen und zeigte den Fahrer des Luxus-SUV an.


Die immens hohe Strafbefehls-Summe basierte auf einem – von einer Wirtschaftsprüferin ermittelten – Monatseinkommen C.s von 30 000 Euro,setzte sich aus 90 Tagessätzen ä 1000 Euro zusammen. Am Donnerstag wurde der Einspruch des 40-jährigen Immobilienkaufmanns vor dem Amtsgericht Wennigsen verhandelt. Verteidiger Matthias Waldraff erklärte, sein Mandant habe zur Tatzeit gar nicht am Steuer des SUV gesessen, sondern den Tag mit Verwandten im Stadtteil Burg verbracht. Auf dem von der Behörde vorgelegten Foto sei C. auch nicht eindeutig zu erkennen, deshalb sei das Bußgeldverfahren wegen des Tempoverstoßes bereits eingestellt worden. Allerdings musste der Geschäftsmann ein Jahr lang ein Fahrtenbuch führen, zudem mochten die Ermittler den Bestechungsvorwurf nicht auf sich beruhen lassen. Es wurde ein Gutachter beauftragt, die mögliche Täterschaft von C. anhand von Fotos zu überprüfen. Das Ergebnis: Der 40-Jährige sei mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit derjenige,der dem Regionsmitarbeiter 150 Euro angeboten habe.


Doch hier hakte Verteidiger Waldraff – der das Mandat erst im Juli von einer Anwältin übernommen hatte – ein, erhob massive Vorwürfe gegen den Sachverständigen. Dieser sei wegen mehrerer zweifelhafter Identifizierungs-Gutachten von einer Zeitschrift schon als „ Fachmann für Fehlurteile“bezeichnet worden, sei etwa dafür verantwortlich, dass ein Unschuldiger als angeblicher Bankräuber acht Jahre im Gefängnis gesessen habe. Abgesehen davon habe sich vor wenigen Tagen ein „Schwippschwager“ des Angeklagten bereiterklärt, vor Gericht dafür geradezustehen, dass er den Mercedes-SUV an besagtem Montagmittag im Januar 2017 gefahren sei. Er hätte den Übeltäter auch gerne als Zeugen präsentiert, so Waldraff, doch sei dieser leider in Köln unabkömmlich.Und schließlich betrage das Monatseinkommen von C. auch nur 15 000 Euro.


An diesem Punkt drohte eine erhebliche Ausweitung des Prozesses. Die am Donnerstag geladenen fünf Zeugen plus einige Verwandte von C. sowie ein Gutachter hätten zu einem weiteren Verhandlungstermin anreisen müssen, der Ausgang des Verfahrens wäre offen gewesen. So einigten sich Amtsrichter Ingo Flasche, Staatsanwältin Agnes Blum und Matthias Waldraff schließlich auf eine Einstellung des Verfahrens gegen Mehmet C. – gegen Zahlung einer Geldbuße von 12 000 Euro an die Landeskasse. „Mit dem Einstellungsbeschluss wird auch der Familienfrieden wiederhergestellt“,lautete das Schlusswort des Verteidigers. Den Begriff der Herstellung des Rechtsfriedens nahm keiner der Verfahrensbeteiligten in den Mund.“