Neues Polizeigesetz – ein Schritt in die Zukunft oder Einschnitt in Grundrechte?

Der niedersächsische Landtag hat das neue Polizeigesetz verabschiedet. Die Meinungen dazu sind geteilt. Ein Überblick:

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unsplash.com - Jonas Augustin

Der Niedersächsische Landtag hat am Dienstag, den 14.05.2019 mit den Stimmen von SPD und CDU das seit Monaten höchst umstrittene neue niedersächsische Polizeigesetz verabschiedet.

 

Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius bezeichnete das Gesetz im Landtag als „modern und zeitgemäß“. Die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit werde gewahrt, so Pistorius. Ein Vertreter der CDU lobte: „Heute wird Niedersachsen sicherer.“

 

Kritiker stehen dem neuen Gesetz und den erweiterten Befugnissen der Polizei skeptisch gegenüber und halten dieses für verfassungswidrig. Mit dem Gesetz kämen die Grundrechte „unter die Räder“, sagte FDP-Fraktionschef Stefan Birkner.

Was sind die wesentlichen Neuerungen?

Nach eigenen Angaben will die niedersächsische Landesregierung mit dem neuen Polizeigesetz die Terrorismusbekämpfung verstärken. Terroristische „Gefährder“ können nach der neuen Rechtslage nun bis zu 35 Tage in Gewahrsam genommen werden. Zudem können Aufenthaltsverbote verhängt und „Gefährder“ mittels elektronischer Fußfesseln überwacht werden.

 

Erweitert werden auch die Befugnisse der Überwachung des Mobilfunks. Mit der sogenannten Quellen-TKÜ (TKÜ=Telekommunikationsüberwachung) hat die Polizei Zugriff auch auf verschlüsselte Nachrichten aus Kurznachrichtendiensten wie z. B. WhatsApp. Auch sind sogenannte „Onlinedurchsuchungen“ durch gezieltes Installieren von Trojanern zukünftig möglich.

 

Die Polizeibeamten werden in einzelnen Fällen auf der Grundlage des neuen Gesetzes mit sogenannten „Bodycams“ ausgestattet werden. So besteht während eines Einsatzes die Möglichkeit, Bild- und Tonaufzeichnungen von dem Einsatz anzufertigen.

 

Das neue niedersächsische Polizeigesetz enthält schließlich auch eine Rechtsgrundlage für die derzeit unzulässige Geschwindigkeitsüberwachung „Section Control“ auf der Bundesstraße 6 bei Laatzen. Bisher war diese Art der Geschwindigkeitsüberwachung gerichtlich für unzulässig erklärt worden, da es an der gesetzlichen Grundlage fehlte. (hierzu ausführlich: https://www.rae-waldraff.de/posts/verwaltungsgericht-hannover-kippt-section-control)

Wer wird maßgeblich von dem neuen Gesetz betroffen sein?

Nach den Aussagen der Landesregierung soll das Gesetz primär der Bekämpfung des Terrorismus dienen. Zudem soll der Einsatz von „Bodycams“ als Schutzfunktion für die Polizeibeamten im Dienst dienen.

 

Kritiker sehen in dem Gesetz jedoch eine allgemeine Einschränkung der Freiheits- und Grundrechte. Das Gesetz sei deswegen verfassungswidrig. Gerade der Einsatz von „Bodycams“ sei bedenklich, da er Bild- und Tonaufnahmen zulässt, bevor dies für den Betroffenen erkennbar ist. Hier könne es zu gravierenden Beeinträchtigungen der jeweiligen Persönlichkeitsrechte kommen. Darüber hinaus dürfte der Einsatz von „Bodycams“ auch mit Blick auf die seit letztem Jahr geltende Datenschutzgrundverordnung („DSGVO“) fraglich sein.

 

Angesprochen fühlen sich durch das Gesetz vor allem auch Fußballfans, die befürchten, durch den „Präventivgewahrsam“ ohne stichhaltige Begründung von der Teilnahme an Fußballspielen ausgeschlossen werden zu können.

 

Die niedersächsische Landesdatenschutzbeauftragte bemängelte an dem neuen Polzeigesetz, dass die Eingriffsschwellen für polizeiliche Maßnahmen rapide herabgesetzt werden. Viele Maßnahmen würden in die Grundrechte der betroffenen Zielpersonen eingreifen.

Wie geht es weiter?

Das neue niedersächsische Polizeigesetz spaltet die Gemüter seit mehr als einem Jahr. Nun hat die Regierung es gegen die Stimmen der Opposition verabschiedet.


Die Oppositionsparteien im niedersächsischen Landtag kündigten bereits eine sogenannte Normenkontrollklage bei dem niedersächsischen Staatsgerichtshof in Bückeburg an. Sie wollen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes gerichtlich überprüfen lassen.


Ob jedoch der niedersächsische Staatsgerichtshof überhaupt die Möglichkeit bekommt, das Gesetz zu prüfen, ist fraglich. Für eine Normenkontrollklage müssten mindestens 1/5 der Landtagsabgeordneten dem Antrag zustimmen. Bei der aktuellen Verteilung der Sitze im niedersächsischen Landtag fehlen der Opposition wenige Stimmen.


Dass die Regierungsparteien (SPD und CDU) die Opposition bei der gerichtlichen Überprüfung durch den niedersächsischen Staatsgerichtshof unterstützen werden ist unwahrscheinlich. Immerhin hat die niedersächsische Landesregierung mit der Verabschiedung des lange umkämpften Gesetzes ihr Ziel erreicht.


Ob das Gesetz in der Praxis im Kampf gegen denTerrorismus am Ende behilflich sein wird, bleibt abzuwarten. Eine Einschränkung von Grundrechten aller Bürgerinnen und Bürger durch die Herabsetzung der Eingriffsschwelle von polizeilichen Maßnahmen ist jedoch bereits jetzt offensichtlich.